Und dann kam die wunderschöne Irritation: Die Jungs gingen mit einem Lächeln, mit einem freundlichen Gruß und mit einem „Mahlzeit!“ an ihr vorbei. Im Nachhinein empfand die Frau große Scham, da es ihre Vorurteile gewesen sind, die sie diese ihr unbekannte Gruppe Jugendlicher in einem speziellen Licht sehen ließ.
Viele Jugendliche werden bei dieser Geschichte mit dem Kopf nicken. Kennen sie doch die Konfrontation mit Vorurteilen aus der Erwachsenenwelt. Ein junger Bursche hat mir in einer unserer Therapiestunden erzählt, wie sehr es ihm zu schaffen macht, von Erwachsenen eben in diesem Bild gesehen zu werden: als faul, als undankbar, als antriebslos und nur feiernd. Er meinte, dass er so oft zu hören bekommt: „Ihr habt doch heutzutage alle Chancen!“ Doch genau das ist es manchmal auch, was ihn in eine Überforderung bringt. Es ist scheinbar alles möglich. Nur, wie soll er aus „Allem“ das finden, was zu ihm passt, was ihn glücklich macht und erfüllt? In dieser Suche wünscht er sich einen Erwachsenen an seiner Seite, der ihm zuhört, sich auf seine Welt einlässt, mit ihm in Kontakt und Auseinandersetzung geht, ohne seine eigene Vorstellung über ihn zu stülpen.
„Generationsübergreifendes Miteinander“ wird immer wieder propagiert. Dies ist jedoch keine Einbahnstraße. Leben besteht aus gegenseitigem Lernen, gegenseitigem Akzeptieren und Anerkennen. Vielleicht ist gerade jetzt das Ende eines Jahres die richtige Zeit, auch hier in eine Selbstreflexion zu gehen und alte Gewohnheiten abzulegen, um dann mit einer befreiten Offenheit neu starten zu können.
Mag. Dr. Veronika Burtscher-Kiene
EFZ Beratung