
Nach einer rasanten Schiabfahrt kürzlich habe ich mir gedacht, dass ich mich gerade durch sämtliche Herausforderungen des Lebens geschwungen habe: Am Gipfel stand ich vor der Frage, ob ich mich überhaupt traue. Erst kam ein eisiger, steiler Teil, der mich ins Rutschen, fast Ausrutschen brachte. Im nächsten, buckeligen Teil musste ich stets rasch entscheiden, ob ich das Hindernis umkurve oder darüber fahre - ob ich mich abschrecken lasse oder mich dem Buckel stelle. Am Ende dieses Kraftaktes wurde ich dann jedoch mit einem wunderschönen Pistenabschnitt belohnt, auf dem ich den vollen Genuss, die gesamte Freude am Schifahren intensiv gespürt habe.
Auf der Piste des Lebens stehen unsere Klient:innen vor genau diesen Herausforderungen. Es ist nicht an uns Therapeut:innen für sie zu entscheiden. Aber wir können mit ihnen im Sessellift sitzen und auf der Fahrt nach oben gemeinsam die Piste/das Leben betrachten und ihre Fähigkeiten den Anforderungen der Piste gegenüberstellen. Wir können uns die zur Verfügung stehenden Werkzeuge ansehen, Schwierigkeiten und Alternativen abwägen. Wir geben ihnen eine helfende Hand, wenn sie gestürzt sind. Aber die Entscheidung, ob sie fahren, müssen sie selbst treffen. Denn nur so wird ihre Handlungskompetenz gestärkt. Nur auf diesem Weg spüren sie Eigenverantwortung für ihr Leben.
So wie es meine Entscheidung war, eben diese Piste zu fahren. Vielleicht nicht in jedem Schwung wirklich elegant oder konventionell. Aber am Ende hat sich ein Lächeln auf meinen Lippen und eine tiefe Zufriedenheit in mir ausgebreitet.
Mag. Dr. Veronika Burtscher-Kiene
Ehe- und Familienzentrum